Viele fürchten die Zerstörungskraft, die wir der Wut zuschreiben. Eine unkontrollierbare Gewalt die sich sowohl nach außen als auch nach innen richten kann. Uns fällt es schwer heftige Gefühle wie Ärger, Aggression und Wut zuzulassen. Stattdessen versuchen viele diese Gefühle zu ignorieren, mit Vernunft und Verstand zu kompensieren.

Die Medien sind geprägt von gewaltvollen Bildern. Die Nachrichten stürzen sich regelrecht auf gewalttätige Geschichten. Die Filmbranche bricht immer mehr Tabus, überschreitet eine Grenze nach der anderen um überhaupt noch Regungen bei den Zuschauern hervorzurufen. Wir stumpfen immer weiter ab. Gewalt wird künstlich inszeniert.
Begegnen wir Wut im wirklichen Leben, reagieren die Meisten abschätzig. Oft wird sogar von außen geurteilt, dass mit dieser Person etwas nicht stimmt. Ein Kind, welches einen Wutanfall in der Öffentlichkeit hat, verursacht bei den Eltern immer noch Scham.
Kaum ein anderes Gefühl in der eigenen Palette der Empfindungen, ist so stark umstritten und unterdrückt. Wir haben Angst davor, von der Intensität der Wut überrollt zu werden, die Kontrolle zu verlieren und Schaden anzurichten. Vor allem haben wir Angst davor, die Menschen die uns nahe stehen zu verletzen, sei es emotional oder sogar körperlich. Doch sind es vor allem eben diese Menschen, die uns am nähesten stehen, unsere Partner, unsere Kinder, enge Freunde die sich besonders darin verstehen uns aus der Reserve zu locken. Oft fühlen wir uns in diesen Momenten nicht gesehen, ungerecht behandelt. Wir fühlen uns angegriffen, gekränkt, verletzt. In den meisten Fällen auch abgelehnt, hilflos und ohnmächtig.

An dieser Stelle haben wir zwei Möglichkeiten: Wir ergreifen die Flucht und bleiben mit unserer angestauten Wut alleine oder wir erlauben uns einen Wut-Ausbruch. In beiden Fällen fühlen wir uns meist im Nachhinein schlecht. Ein ungutes Gefühl bleibt zurück, welches wir versuchen zu unterdrücken. Stattdessen suchen wir Versöhnung und den schnellsten Weg zurück zur Harmonie. Wir spalten unsere Wut einfach ab.
Dabei übersehen wir die natürliche Funktion der Aggression. Sie ist eine treibende Kraft bei der Selbstbehauptung. Sie hilft uns Grenzen aufzubauen, uns zu positionieren, schlicht mit der Welt zu agieren. Unsere Wut zu unterdrücken, verhindert einen echten, authentischen Kontakt zu anderen.
Wenn wir es schaffen unseren Ärger und unsere Wut zu akzeptieren und diese Gefühle angemessen zum Ausdruck zu bringen, bekommen wir die Chance uns selber im Ganzen anzunehmen. Wir beginnen alle Emotionen und Gefühle ernst zu nehmen. Das Potenzial von Wut ermöglicht uns stärker für uns selber einzustehen, fehlenden Respekt und Grenzen einzufordern. Auch dient sie uns als Indikator, wenn wir bei unserem Gegenüber zu weit gehen. Wir können die Kraft nutzen unsere Interessen und Bedürfnisse deutlicher einzufordern. Wut kann ein guter Ausgangspunkt für Veränderung sein, um sich selber mehr wertzuschätzen.