Was ist Gestalttherapie?
Angst oder Liebe
Wut
Auf den Spuren der Selbstliebe
Vom Wir zum Ich
Wenn wir uns für die Liebe zu anderen öffnen, fühlen wir uns auf der einen Seite glücklich und verbunden, auf der anderen Seite aber auch schnell verloren oder verletzt.
Der Wunsch nach einer „gesunden“ Partnerschaft oder Beziehung verbindet viele miteinander. Doch nicht selten wird genau diese Verbindung zu einer wahren Herausforderung, die unsere verborgenen Schattenseiten und Ängste zur Tage fördert.
Für die Meisten von uns waren die eigenen Eltern die ersten Vorbilder in punkto Beziehung. Als Kind stehe ich in einer direkten Beziehung zu meiner Mutter und meinem Vater. Bereits dort sammele ich meine ersten Erfahrungen, z.B. wie ich Aufmerksamkeit bekomme. Für manche bedeutete dies vielleicht, sich den Wünschen der Eltern anzupassen, brav zu sein. Für andere war es eher durch Trotz- und Widerstand, durch beleidigt- und ärgerlich sein. Die Möglichkeiten und Methoden sind vielschichtig und oft sehr komplex.

Als Kinder stehen wir in einer existenzieller Abhängigkeit und sind auf die Aufmerksamkeit und Zuneigung anderer angewiesen. Erfahren wir Ablehnung, bleibt uns häufig nicht mehr übrig, als Gefühle wie Ohnmacht, Wut und Trauer zunächst einmal zu schlucken.
Geraten wir als Erwachsene nun in einen Konflikt und diese Gefühle werden erneut ausgelöst, ist es möglich, dass diese alten Gefühle unverhältnismäßig stark aus einem heraus platzen. Die Intensität und Heftigkeit übersteigt meist den angemessenen Rahmen der Situation oder des Streites. Alte Beziehungsmuster und Verletzungen werden getriggert (ausgelöst).
Dies zu erkennen kann ein wichtiger Schritt sein. In einer derartigen Situation die Fähigkeit zu entwickeln, zu differenzieren welches „alte“ Gefühle sind, die mit meinem Gegenüber nichts zu tun haben, schafft eine angemessene Distanz, seinen Partner und sich selber wieder zu spüren. Zwar ist mein Gegenüber Auslöser, jedoch nicht verantwortlich für meine Gefühle.
Wenn es uns gelingt, diese Tatsache zu akzeptieren und die damit verbundenen Gefühle auszuhalten, beginnen wir uns innerlich zu öffnen und selber anzunehmen. Wir haben die Möglichkeit so zu sein, wie wir sind und können aufhören so zu sein, wie wir glauben, sein zu müssen.
Dies heißt jedoch keineswegs in ständiger Harmonie zu sein, sondern viel eher den Mut aufzubringen sich zu zeigen, auch wenn ich mein Gegenüber möglicherweise zunächst damit enttäusche. Ich zeige meine persönliche Grenze und mache mich dadurch spürbarer. Ich übernehme Eigenverantwortung für meine Bedürfnisse.

Je mehr ich meine eigene Grenze wahrnehme, je leichter fällt es mir, meinen eigenen Raum zu halten. Sei es nun im Innern oder im Außen. Negative Gefühle und unangenehme Situationen auszuhalten, im Konflikt zu bleiben, ohne mich zu verspannen oder aus der Situation fortzubewegen ist keine leichte Aufgabe. Vielmehr ist es eine große Leistung dem standzuhalten, die Verantwortung zu übernehmen und nicht nur an sein eigenes Wohlbefinden zu denken. Dadurch öffne ich einen Raum der größer ist, als meine eigenen Bedürfnisse. Ich erkenne mich und mein Gegenüber an, so wie wir sind.
Eine Partnerschaft ist für mich eine spannende Form der Liebe. Sie bietet uns viele Möglichkeiten der Entwicklung. Wenn wir lernen die Spannung eines Konfliktes auszuhalten, ohne aus dem Kontakt zu geraten, können wir uns bewusster als eigenes Individuum erfahren. Wir können eine Partnerschaft dazu nutzen uns selber besser kennen zu lernen und gemeinsam als Paar eine tiefere Form der Liebe entdecken.
Psychologie – Meine Leidenschaft
Seit der Geburt meiner Töchter beschäftige ich mich leidenschaftlich mit der psychischen Entwicklung des Heranwachsen. Inspiriert durch Menschen wie Jesper Juul, Dr. David Schnarch, Nora Imlau, Dami Charf, Fritz Riemann, Carl R. Rogers, Fritz Perls und Maria Montessori setze ich mich immer wieder neu damit auseinander.
Wir alle sind Anders

Ich mag den Gedanken, dass jeder von uns bereits etwas individuelles zur Geburt mitbringt und wir nicht nur das Produkt unserer Erziehung und unseres Umfeldes sind. Dabei ist es natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass vor allem unsere Eltern einen stark prägenden Eindruck auf uns hinterlassen.
MODELLLERNEN
Die Art und Weise wie wir als Menschen lernen wird unter anderem mit dem Modelllernen beschrieben. Dabei beobachten wir, ahmen nach, erleben wir, setzen uns auseinander und sammeln eigene Erfahrungen. Diese Prozesse sind mit vielen Emotionen verknüpft.
Krabbeln
Schaut man sich ein Baby im ersten Lebensjahr an, wie es auf dem Boden sitzt und versucht an ein Objekt seiner Begierde heranzukommen, kann man häufig eine ganze Bandbreite von Emotionen beobachten.

Zunächst Neugierde, Begeisterung, Freude; daraus entspringt der Wunsch es haben zu wollen, in meinen Händen halten zu können. Ein Entschluss wird gefasst. Darauf folgt das Prüfen der Möglichkeiten. Ist jemand da, der mir diesen Gegenstand bringen kann? Kann ich auf mich aufmerksam machen? Versteht die Person, was ich möchte? Schaffe ich es eigenständig mir meinen Wunsch zu erfüllen? Ich treffe die Entscheidung es mir selber zu holen, doch komme ich nicht vorwärts. Mein Körper macht nicht das, was ich möchte. Ich bin enttäuscht und frustriert. Mir ist es wichtig selber dahin zu kommen. Ich entwickele eine starke Motivation und probiere es wieder und wieder. Mit jedem Versuch schaffe ich mehr. Immer wieder frustriert es mich, doch ich bleibe beständig. Irgendwann ist es soweit: Ich schaffe es.
Die Erfahrungen, die in diesem Prozess stecken, erleben wir beinahe täglich. Egal in welchem Alter wir uns befinden. Zunächst scheint es entscheidend dabei zu sein, wie unsere bisherigen Erfahrungen darin sind, mit solchen Situationen, Misserfolgen, umzugehen. Prägend sind natürlich die Erfahrungen, die wir als Kind gemacht haben. Hatte ich eine Mutter, die mir alle Wünsche von den Lippen abgelesen hat und mir gleich meinen ersehnten Gegenstand in die Hand gedrückt hat. Oder hatte ich eine Mutter die mich unter Druck gesetzt hat, dass es jetzt aber wirklich mal an der Zeit ist, dass ich krabbeln lerne, damit sie mir nicht immer alles bringen muss. Hatte ich vielleicht eine Mutter die mir gesagt hat: „Du kannst das noch nicht. Das wirst du schon noch lernen.“ Was in jedem Fall bleibt ist das Gefühl der eigenen Frustration und Enttäuschung. Entscheidend an diesem Punkt ist, wie gehe ich damit um. Als Baby ist mein Repertoire an Bewältigungsstrategien noch sehr klein und wir sind angewiesen auf die Unterstützung von außen. Dabei halte ich es für sehr wichtig wie ernst das Gefühl in dem Augenblick genommen wird.
Das erste mal auf der Rutsche
Jesper Juul bringt ein Bespiel eines Kindes an, welches zu ersten mal oben auf der Rutsche sitzt. Es hat Angst und traut sich nicht herunter zu rutschen. Die wohl gängigste Reaktion der Eltern ist: „Du brauchst doch keine Angst zu haben. Ich bin für dich da. Ich fange dich auf. Rutsch ruhig.“ Das Kind wird rutschen und in der Regel passiert auch nichts. Was jedoch beim Kind zurück bleibt, ist das Gefühl das die eigene Angst unangebracht, also falsch, war. Das eigene Gefühl wird negiert und das Kind lernt dem eigenen Gefühl zu misstrauen. Andere Beispiele sind: „Du braucht nicht weinen. Sei nicht traurig. Wenn du wütend bist, geh auf dein Zimmer.“ Diese und ähnliche Situationen passierten den meisten von uns wieder und wieder und führen nicht selten dazu, dass wir später gar nicht mehr so genau wissen, wie wir uns fühlen, oder was wir wirklich wollen. Unsere Ausweichstrategien und Ablenkungsmechanismen sind so ausgeprägt, dass wir der Fähigkeit tiefe Emotionen zu empfinden gar nicht mehr gewachsen sind.

Dazu kommt der natürliche Wunsch nach Nähe und Anerkennung. „Wenn ich jemandem nicht gefalle, dann werde ich nicht gemocht.“ Dieser Ansatz findet sich unter anderem in der Bindungstheorie, in der Tiefenpsychologie und auch in der Chakrakteranalyse nach Wilhelm Reich. Demnach durchlaufen wir unterschiedliche Entwicklungsprozesse, die bereits während der Schwangerschaft beginnen. Vor allem in den ersten Lebensjahren lernen wir unsere Gefühle und Emotionen kennen, den Umgang mit anderen und die Fähigkeit Liebe, Vertrauen und Selbstvertrauen zu entwickeln. Körperlich abhängig und unausgereift, emotional aber überaus kompetent, kommen wir als Menschen auf die Welt und befinden uns zwangsläufig in einer Abhängigkeit zu unseren Eltern / Bezugspersonen, die für unser Überleben verantwortlich sind. Daraus entsteht eine natürliche Symbiose, eine Bindung. Als Kind, aber auch als Erwachsene, neigen wir dazu in die Anpassung zu gehen, um ein Gefühl der Nähe nicht auf’s Spiel zu setzen. Ein klassisches Beispiel vom Spielplatz: „Wenn du jetzt nicht kommst, dann gehe ich alleine.“ Zwar möchte das Kind nicht gehen, da es vielleicht so viel Spaß hat, aber das Gefühl alleine gelassen zu werden und die Mutter zu verärgern ist überaus bedrohlich. Das Kind wird seine Wünsche unterdrücken und lieber die Nähe zur Mutter suchen. Dass das Kind die Verantwortung für die Emotionen der Mutter übernimmt und die Mutter ihre Machtposition an dieser Stelle missbraucht, ist ein anderes Thema.
Dem Anderen gefallen
Fakt ist, wir alle neigen dazu Teile von uns zu verleugnen, um dem Anderen besser zu gefallen. Nehmen wir nur mal die Phasen der Verliebtheit oder die Anfänge eines neuen Jobs. Nur selten wagen wir uns doch mit unseren „wirklichen“ Meinungen oder Gefühlen nach außen. Auch nicht immer ist es angemessen, seine Emotionen im vollen Umfang zu zeigen. Ich halte es auch nicht für notwendig dies immer zu tun. Wichtig jedoch finde ich die eigene Wahrnehmung über meine Emotionen in diesen Momenten. Mir selbst es einzugestehen, wie ich mich fühle. Mich zu reflektieren.

Meine besten Lehrerinnen sind dabei meine Töchter. Sie verstehen sich gut darin meine Knöpfe zu drücken. Ja, mich manchmal zur Weißglut zu bringen. Dabei differenziere ich aber zwischen situativen Emotionen und alten Gefühlen / Verletzungen. Teile ich meiner Tochter wiederholte Male meine Grenze mit und diese wird nicht respektiert, zeige ich ihr meine situative Emotion: „Das macht nicht jetzt echt wütend.“ Dabei bin ich noch im Stande meine Emotionen zu verbalisieren / zu benennen. Verpasse ich diesen Moment, oder übersehe ihn (in mir) taucht plötzlich eine Form der Wut auf, die für diese Situation unangemessen ist. Ich befinde mich in einem Gefühlschaos zwischen dem augenblicklichen Konflikt und einem alten Konflikt mit meinem, damals alkoholkranken Vater, welcher meine Privatsphäre nicht respektiert hat. Diese Form der Emotion ist übermannend und ich greife auf alte Reaktionsmuster zurück. Ich verfalle in Trotz und schreie. Ich verliere die Kontrolle. In diesem Kontext ist dies eher destruktiv. Im Anschluss fühle ich mich schlecht, schuldig. Ich bereue, was ich getan habe. Ich gehe zu meiner Tochter und entschuldige mich, erkläre ihr, dass das nichts mit ihr zu tun hatte und sie nichts falsch gemacht hat und ich sie liebe.
Sich ständig wiederholende Muster
Dennoch ist dort dieses sich ständig wiederholende Muster. Es zu unterdrücken hinterlässt auch kein angenehmes Gefühl. Also stelle ich mich meiner Emotion. Dafür ist es für mich sehr angenehm einen äußeren Rahmen zu schaffen, wo ich meiner Emotion freien Raum lassen kann, wo ich die Zeit und die Ruhe habe, mich dem Gefühl zu widmen. In dem ich mich gedanklich mit damaligen Situationen konfrontiere, schaffe ich es dieses Gefühl in mir spürbar zu machen. Ich fühle, wie die Wut in mir aufsteigt, wieder abebbt; plötzlich taucht Trauer auf; es entsteht Starre in meinem Körper; ich bekomme einen trockenen Mund; wieder Wut; ich bekomme Angst; ich schäme mich; jedes Gefühl nehme ich wahr und lasse mir dabei Zeit; es tauchen innere Bilder auf; ich spüre meinen Körper; machmal entwickelt sich daraus ein Impuls: Das eine Mal möchte ich schreien und um mich hauen; das andere Mal möchte ich mich verstecken und mir eine Decke über den Kopf ziehen. Ich folge den Impulsen und lasse alles zu, was auftaucht. Ich nehme meine Gefühle wahr und nehme sie ernst. So arbeite ich mich Schicht für Schicht durch die sich wechselnden Emotionen und Gefühlslagen. Am Ende bleibt oft ein angenehmes Gefühl der inneren Ruhe oder inneren Stärke. Ich habe mich meinen tiefen Emotionen gestellt, mich selber besser kennen gelernt, habe eine neue Erfahrung gemacht, wie ich aus diesem Gefühl herauskommen kann.

Nachdem ich mich ein paar mal diesem Muster gewidmet hatte, stellte ich fest, dass die alte Wut in aktuellen Konflikten nicht mehr auftauchte. Meine Tochter diente nicht mehr als Trigger (Auslöser). Ich wurde emphatischer und fing an die Bedürfnisse meines Kindes in diesem Augenblick zu sehen. Auch meines Bedürfnisses wurde ich mir klarer und konnte entscheiden, es kurz hinten anzustellen und zunächst für mein Kind da zu sein.
Erlebnisorientiert
Auf diese erlebnisorientierte Herangehensweise setze ich mich immer wieder auf’s Neue mit mir auseinander. Dabei bin ich es selbst, der die Veränderung herbeiführt. Da gibt es niemanden, der mir Ratschläge gibt, mir sagt, wie ich es besser oder anders tun kann. Da gibt es nur mich, mein Erleben und meine eigene Wahrheit.
Dies ist für mich der Kernansatz der Gestalttherapie, der Traumatherapie, der Körpertherapie und der Aufstellung. Durch die eigene innere Auseinandersetzung mit dem, was augenblicklich da ist zu arbeiten und dadurch etwas Altes durch etwas Neues zu ergänzen führt in meinen Augen zu einer nachhaltigen Veränderung. Dies ist für mich erlebnisorientierte Psychotherapie.